Montag, 18.11.2024

Ilbenstadt: Schleiereulen nisten in „Luxus-Penthaus-Wohnung“ - Großes Lob von NABU-Experten und Magistrat für Engagement von André Veith für den Vogel- und Artenschutz

von Michael Hahn, Ilbenstadt

Niddatal – Sie haben immer mit Mensch und Vieh gelebt und dort Unterschlupf und Nahrung gefunden. Sie wurden aber auch an Scheunentore genagelt, um Unheil von Haus, Hof und dem bäuerlichen Betrieb fernzuhalten. Inzwischen sind Schleiereulen in unseren Regionen vom Aussterben bedroht. Jochen Struch (54), Eulen-Experte vom NABU Hessen: „Gab es in unserem Bundesland vor zehn Jahren noch etwa 2.000 Brutpaare, so sind es aktuell nur noch etwa 200.“ Doch mit dieser dramatischen Entwicklung wollte sich der gelernte Schreiner und Diplom-Pädagoge André Veith (47) aus der Mühlgasse im Niddataler Stadtteil Ilbenstadt nicht abfinden. Bald nach dem Kauf einer alten Hofreite aus dem 17. Jahrhundert, verspürte der Natur- und Vogelliebhaber in sich das geistige Erbe seines Großvaters Karl, der in Ilbenstadt einst Vogelwart war und so beschloss Veith, in den Giebel der Scheune einen Eulenkasten einzubauen. Die Einflugöffnung im Mauerwerk gab es bereits und wurde nun durch die Nistmöglichkeit für Schleiereulen ergänzt. Wichtig war es bei der Konstruktion, an den Schutz des Gehäuses vor Mardern und Waschbären zu denken. Im Frühjahr 2021 war das geräumige  Domizil, bestehend aus Schalbrettern aus Fichtenholz, bezugsfertig. Der Boden wurde abschließend mit Hobelspänen ausgelegt. Das Warten auf die neuen Untermieter begann und hatte in diesem Frühjahr ein Ende. Veith: „Es war für mich eine unglaubliche Freude, als ich im Inneren des Kastens erste Aktivitäten bemerkte und die sehr speziellen Laute der Schleiereulen, darunter ihr typisches Fauchen und das nächtliche ‚Bettelschnarchen’ der Jungvögel hörte.“ Zunächst blieb er dem Kasten fern, um die neuen Hofbewohner nicht zu stören. Erst Mitte Juli spähte der „Herbergsvater“ durch die Ritzen des Kastens und entdeckte darin vier Jungvögel mit ihrem weißlich-grauen, flaumigen Federkleid. Ende August, etwa drei Monate nach Eiablage, Brut- und Aufzuchtzeit, war es dann soweit und die Jungvögel flogen aus. Auch bei Ilka Linke (52) von der Artberatung „Schleiereule“ beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und dem Ornithologen Bernd Petri (63) vom NABU Hessen, löste die Nachricht aus Ilbenstadt große Freude aus, denn bei den Brutpaaren gibt es seit Jahren trotz milder Winter starke Bestandseinbrüche. Ilka Linke: „Hauptnahrung der Schleiereulen sind überwiegend Feldmäuse, doch durch die fortschreitende Modernisierung wird es der Eule immer schwerer gemacht.“ Und: Giftstoffe, die in der Landwirtschaft gegen Mäuse eingesetzt werden, sind auch für Eulen giftig. Früher habe es noch viele Höfe gegeben, in denen die Eulen im Winter die Mäuse gefressen hätten. Der Lebensraum für diese immer seltener werdenden Vögel schrumpfe aber immer weiter. Sie fänden immer weniger Unterschlupf. Strenge Vorschriften der EU für die Landwirtschaft machten ihnen zusätzlich das Leben und Ãœberleben schwer. Ilka Linke: „Das Kleinräumige geht verloren. Früher hatte jedes Dorf Streuobstwiesen. Eine wilde Ecke würde viel helfen.“ Schleiereulen sind tagsüber kaum zu sehen und zu hören. Das ändert sich bald nach Anbruch der Dämmerung, wenn sie auf Mäusejagd gehen. Nach der Balz im Frühjahr legt das Weibchen zwischen drei und elf Eier ab, dies in das Gewölle, das aus unverdaulichen Nahrungsresten besteht. Eulen-Experte Jochen Struch: „Knochen, Schädel und Haare der Beutetiere verbleiben für etwa sechs bis acht Stunden im Magen der Eule und werden dann am Schlafplatz als Gewölle herausgewürgt.“ Nur das Weibchen brütet. Anfangs jagt nur das Männchen und bringt das Futter nach Hause. Wenn die Jungen älter sind, gehen beide Elterntiere auf die Jagd. Die Augäpfel der Schleiereule sind fest, ihr Kopf hingegen ist in alle Richtungen bis zu 270 Grad beweglich. Mit ihren exzellenten Ohren hat sie zudem ein perfektes Ortungssystem. Dabei fungiert der zarte Gesichtsschleier als „Schalltrichter.“ Am Wochenende besuchten die NABU-Experten André Veith und waren, wie auch Niddatals Erster Stadtrat Kurt Meisinger, von der Eulenherberge in seiner Scheune begeistert. Bernd Petri: „Es ist wunderbar, dass André Veith neben seiner beruflichen Tätigkeit und der Restauration seiner Hofreite auch noch konkret Artenschutz betreibt. Sein Einbau einer Luxus-Penthaus-Wohnung für die vom Aussterben bedrohte Schleiereule war so erfolgreich, dass jetzt vier junge Ilbenstädter Schleiereulen ausgeflogen sind.“ Als Anerkennung für sein Engagement überreichte Petri eine Plakette als eulenfreundliches Haus. Kurt Meisinger bedankte sich im Namen der Stadt Niddatal für den Schutz und die Pflege der Schleiereulen. Ilka Linke: „Ich hoffe, dass es viele Nachahmer geben wird!“ Und André Veith hofft schon sehr darauf, dass zur nächsten Brutsaison die Schleiereulen sein Nistangebot wieder annehmen werden. Veith: „Darauf bin ich schon sehr gespannt.“

Titelbild: Sie freuten sich gemeinsam über das Nistangebot in der alten Scheune, das jetzt erstmals von Schleiereulen angenommen worden ist (v.l.n.r.): Erster Stadtrat Kurt Meisinger, Ilka Linke mit einer präparierten Schleiereule namens „Hedwig“, Jochen Struch, „Herbergsvater“ André Veith und Bernd Petri, Ornithologe vom NABU Hessen.

Text und Photos: Michael Hahn und André Veith, Ilbenstadt

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